Beim Schatz des Monats Oktober 2025 handelt es sich um einen Faustkeil aus Feuerstein aus der Sammlung der Älteren Urgeschichte.
Seit Hunderttausenden von Jahren begleiten Steinwerkzeuge die Menschheit. Sie sind die ältesten und zugleich zuverlässigsten Zeugen des technischen Könnens des Menschen, geschaffen von frühen Menschenformen, Neandertalern und anatomisch modernen Menschen. Archäolog:innen gewinnen aus ihnen wertvolle Einblicke in das Verhalten, die Lebensweise und die technologischen Konzepte unserer Vorfahren.
Das hier ausgestellte Beispiel ist ein Faustkeil aus Feuerstein, gefunden bei einer Grabung in Charbonnières (Saône-et-Loire, Frankreich). Er wurde vor rund 64.000 Jahren von Neandertalern hergestellt und gehört in die Zeitstufe des „Moustérien de tradition acheuléenne“ (MTA). Faustkeile wurden durch präzise, umlaufende Schläge geformt und erhielten so ihre typische Tränen- oder Herzform. Sie galten als „Multifunktionswerkzeuge“ und spiegeln die handwerkliche Finesse ihrer Hersteller wider. An diesem Stück lässt sich jedoch besonders gut erkennen, dass es nicht vollendet wurde: Während eine Seite bereits sorgfältig überarbeitet ist, trägt die andere noch die ursprüngliche Oberfläche des Feuersteins, die sogenannte Kortex. Auch die Schneidekante wurde nicht vollständig geschärft - das Werkzeug gelangte daher nie in den eigentlichen Gebrauch. Gerade dieser Umstand macht den Faustkeil besonders interessant: Er zeigt einen Moment im Herstellungsprozess. Möglicherweise entsprachen Form oder Material nicht den Erwartungen des Herstellenden, sodass das Stück verworfen wurde. Da der Feuerstein in Charbonnières direkt geologisch vorkommt, konnten die Handwerker:innen einfach zu einem anderen Rohstück greifen und erneut beginnen. Auffällig ist, dass viele dort entdeckte Faustkeile unvollständig sind - ein Hinweis darauf, dass die besten, fertigen Werkzeuge vermutlich „exportiert“ wurden, während die weniger gelungenen zurückblieben.
Die Fundstelle selbst liegt im Freiland auf einem kleinen Plateau - ein Ort, der sich kaum als Wohnplatz eignete, wie es beispielsweise bei Höhlen der Fall ist. Vielmehr spricht alles dafür, dass er gezielt als Produktionsstätte für Steinwerkzeuge wie Faustkeile genutzt wurde. Dieses Bild wird auch durch die enorme Menge weiterer Funde gestützt: In Charbonnières finden sich Spuren der Feuersteinbearbeitung aus unterschiedlichen Zeiten - vom Mittelpaläolithikum, zu jungpaläolithischen Perioden bis hinein ins Neolithikum. Damit wird deutlich, dass dieser Platz über eine sehr lange Zeit hinweg ein wichtiger Ort Werkzeugproduktion war.
Der hier gezeigte Faustkeil (CHARB22.303.501.1086) steht somit stellvertretend für eine große Zahl von Funden, die uns einen einzigartigen Blick auf die Technik, Ansprüche und Arbeitsweisen der Neandertaler eröffnen.
David Boysen