Beim Schatz des Monats Oktober 2024 handelt es sich um eine Widerhakenspitze.
Der Vogelherd, eine Höhle auf der Schwäbischen Alb, ist berühmt für seine 40.000 Jahre alten Elfenbeinfiguren aus der Zeit des Aurignacien. Doch die Höhle birgt noch weitere Schätze aus der Altsteinzeit!
Dazu gehört eine sogenannte Widerhakenspitze aus der Zeit des Magdalénien (vor etwa 16.500 bis 14.000 Jahren). Sie wurde in Schicht II der Höhle gefunden. Zwei weitere ähnliche Spitzen kamen aus dem Abraum der Ausgrabungen zutage, welche die Universität Tübingen im Jahr 1931 durchführte.
Früher wurden solche Funde oft als Harpunen bezeichnet. Da man aber nicht genau weiß, wozu sie dienten, nennt man sie heute neutraler "Widerhakenspitzen". Man vermutet jedoch, dass die Spitze zum Fischfang oder zur Jagd auf Rentiere benutzt wurde.
Die Spitze ist aus Geweih gefertigt und mit zwei kunstvoll geschnitzten Widerhaken versehen. Leider ist ein Widerhaken abgebrochen und auch die Spitze selbst ist etwas beschädigt. Die Widerhaken und die Unterseite der Spitze sind mit feinen Linien verziert. Außerdem sind rote Farbreste zu erkennen, wahrscheinlich Ocker, der wohl auch zur Dekoration diente.
Die Widerhakenspitze gehört zu den Funden aus dem Magdalénien des Vogelherds, die man mit der Radiokarbonmethode direkt datieren konnte. Der älteste Fund aus dem Vogelherd aus dieser Zeit ist sogar 19.500 Jahre alt!
Nach dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, die von 27.000 bis 19.000 Jahren andauerte, kehrten die Menschen langsam wieder nach Süddeutschland zurück, wahrscheinlich aus dem Süden Frankreichs, wo sie die kälteste Phase überdauert hatten. Darauf weisen auch genetische Untersuchungen hin. Erst vor etwa 16.500 Jahren begann eine intensivere Besiedlung Süddeutschlands. Aus dieser Zeit stammt auch unsere Widerhakenspitze, die typisch für das späte Magdalénien ist. Andere Spitzen, die aus Geweih geschnitzt wurden, konnten aus dem Vogelherd auch geborgen werden. Dabei handelt es sich um die sogenannten Spitzen mit einfach abgeschrägter Basis. Diese sind auch typisch für ein spätes Magdalénien. Auch aus der gleichen Zeit konnten wir das Geweih eines Rentiers finden, aus dem diese Spitzen hergestellt wurden. Dieses konnten wir auf ein Alter von 15.300 Jahren datieren. Bei der Herstellung von Geweihspitzen werden zuerst tiefe Rillen in das Geweih geschnitzt und anschließend werden dann Splitter aus dem Geweih herausgebrochen. Diese müssen dann nur noch in Form gebracht werden.
Die Widerhakenspitze vom Vogelherd ist ein faszinierendes Zeugnis der frühen Menschen in Süddeutschland. Sie zeigt uns, wie geschickt sie Werkzeuge herstellen und verzieren konnten. Außerdem hilft sie uns, die Besiedlungsgeschichte der Region nach der letzten Eiszeit besser zu verstehen.
Benjamin Schürch