Beim Schatz des Monats November 2025 handelt es sich um ein Andenken an die Geburtsstunde der Demokratie aus der Münzsammlung der Klassischen Archäologie.
Der Schatz des Monats November 2025 ist eine galvanoplastisch – also mit einem elektrochemischen Verfahren – reproduzierte Münze (Nr. 7). Das Original, eine Tetradrachme, also ein Vier-Drachmen-Stück aus Silber, liegt im British Museum. Die Replik wurde im November 1905 von der Londoner Firma Robert Ready & Sons, Electrotypists, für Tübingen erworben und befindet sich seither unter der Inventarnummer I 909/27b in der Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie. Das Objekt feiert somit in diesem Monat sein 120-jähriges Jubiläum in Tübingen.
Auf der Vorderseite der Münze ist der Kopf der Athena Parthenos, der Kultstatue im Parthenon auf der Athener Akropolis, mit Helm nach rechts dargestellt. Den dreifach gestaffelten Helmbusch zieren das in der griechischen Mythologie geflügelte Pferd Pegasos und die Vorderhufe von Pferden.
Auf dem von einem Olivenkranz umfassten Rückseitenbild der Münze schreitet eine Eule nach rechts über eine liegende Amphora, einem zweihenkeligen, enghalsigen Vorrats- oder Transportgefäß. Links und rechts von der Eule verweisen die Buchstaben ΑΘΕ auf Athen, wo diese Münze geprägt wurde. Die Wörter ΜΕΝΤΩΡ und ΜΟΣΧΙΩΝ benennen die für die Prägung verantwortlichen städtischen Beamten Mentor und Moschion. Rechts der Eule ist die sogenannte Statuengruppe der Tyrannentöter abgebildet. Bei den Athener Tyrannenmördern handelt es sich um Aristogeiton und seinen jungen Liebhaber und Gefährten Harmodios, die 514 v. Chr. wegen Eifersucht oder wegen eines Ehrenstreits ein Attentat auf Hipparchos, den Tyrannen von Athen, verübten.
Der Moment des erfolgreichen Tyrannenmordes, der auch in anderen antiken Medien wie Vasenbildern und Statuengruppen vielfach reproduziert wurde, ist auch auf der Münze festgehalten: Im Hintergrund schützt Aristogeiton mit dem am linken Arm übergeworfenen Mantel und dem vorgestreckten Schwert seinen Geliebten Harmodios, während dieser mit der Rechten mit dem Schwert zum Stoß ausholt. Wenige Jahre nach dem Attentat wurde in Athen der letzte Tyrann und Bruder des ermordeten Hipparchos, Hippias, vertrieben und mit den Reformen des Kleisthenes der Weg zur Demokratie eröffnet. Das Attentat wurde retrospektiv als politische Tat hochstilisiert und das Liebespaar als Befreier von der Tyrannis und als Begründer der Demokratie in Athen gefeiert.
Warum wurde das Motiv der Tyrannenmörder auf einer Athener Münze aus den Jahren 84-83 v. Chr., also knapp 430 Jahre nach dem eigentlichen Attentat, wieder aufgenommen? Die Erklärung ist ganz einfach: Im Jahr 88 v. Chr. hatte sich ein gewisser Aristion mit ausländischer Hilfe des Mithridates VI., dem König von Pontos, zum Tyrannen von Athen aufgeschwungen. Seine Herrschaft wurde jedoch von den Römern umgehend zu Fall gebracht. Aus Dank für die Befreiung von der Tyrannis wählten die Athener das idealisierte Andenken an die Geburtsstunde der Demokratie als Bild auf den neuen Münzen.
Die vorliegende Münze ist unter auch im Digitalen Münzkabinett des Instituts für Klassische Archäologie virtuell zu besichtigen.
Stefan Krmnicek


