Der Schatz des Monats März 2023 ist ein Pataikos-Amulett (Patäke) der Ägyptischen Sammlung der Universität Tübingen, Museum Schloss Hohentübingen.
Die aus grüner glasierter Fayence hergestellte Figur stellt die dreidimensionale Wiedergabe eines nackten, bartlosen Menschen dar mit den Händen auf den Hüften, einem vorgewölbten Bauch, hockenden Beinen und nach innen gedrehten Füßen, die heute nicht mehr erhalten sind. Eine enganliegende Haube verdeckt den normalerweise kahlgeschorenen Kopf, auf dem ein Skarabäus als Ornament angebracht ist. Am Nacken der Figur befindet sich eine Öse; das bedeutet die Figur konnte als Amulett um den Hals getragen werden.
In der wissenschaftlichen Forschung wurde viel darüber diskutiert, was diese Figur darstellt, heute wird allgemein angenommen, dass es sich um einen kleinwüchsigen Menschen mit Achondroplasie (auch Chondrodystrophie) handelt, denn so stimmt die Ikonographie mit einigen Wachstumsstörungen überein, die zu einer unproportionierten Kleinwüchsigkeit führen: ein durchschnittlich großer Rumpf, kurze Beine und Arme, ein unverhältnismäßig großer Kopf, leicht verkrümmte Beine und eine leichte Lordose der Wirbelsäule.
Der Name Pataikos stammt aus einem Bericht des griechischen Historikers Herodot (* 490/480 v. Chr.; † um 430/420 v. Chr.), in dem er beschreibt, wie sich der Perserkönig Kambyses (6. Jh. v. Chr.) beim Betreten eines dem Hephaistos (Ptah) geweihten Tempels in Memphis über die Kultstatue amüsierte. Er schildert sie als eine Figur mit den Zügen eines kleinwüchsigen Menschen und vergleicht sie mit Figuren von Pataikoi, welche die Phönizier auf den Bug ihrer Schiffe setzten.
Der Begriff Pataikos ist wahrscheinlich eine Ableitung des ägyptischen Namens des Schöpfer- und Handwerkergottes Ptah, mit dem die Figur in Verbindung gebracht wird – einige jener Figuren sind mit dem Beinamen „Ptah“ beschriftet. Zudem besteht eine Beziehung zwischen dem Pataikos und dem Sonnengott.
Das Amulett besaß apotropäischen Charakter: Entsprechende Figuren kleiner Wesen werden seit der frühen ägyptischen Geschichte mit Vorstellungen von Fruchtbarkeit, Schutz und Regeneration in Verbindung gebracht. Ein Pataikos-Amulett trug eine Mutter zu ihrem Schutz und dem ihres Kindes, gerne wurde es auch zum Schutz der Gebärenden sowie als Schutz vor Gefahren getragen und eingesetzt. Der Aspekt der Erneuerung wird auch durch den Skarabäus-Käfer, das Symbol der solaren Regeneration, auf dem Kopf des Amuletts verkörpert. Ein Pataikos-Amulett war nicht nur ein Glücksbringer für die Lebenden, sondern man hat auch Exemplare in Gräbern gefunden, wohl damit sie den Verstorbenen im Jenseits weiterhin dienen sollten.
Die Pataikoi-Amulette bilden eine der größten Sammlungen an Amuletten, die in Ägypten ab der 3. Zwischenzeit (ca. 1075 – 652 v. Chr.) bis Ende der ptolemäisch-römischen Zeit (ca. 332 v. Chr. – 395 n. Chr.) gefunden wurde, sie sind wichtige Zeugnisse der persönlichen Frömmigkeit. Jedoch waren sie nicht nur in Ägypten sehr beliebt, sondern wurden auch in andere Regionen außerhalb des Nillandes über die phönizischen Handelswege in den gesamten Mittelmeerraum exportiert und wahrscheinlich auch in phönizischen und punischen Werkstätten nachgeahmt.
Dr. Carolina Teotino-Tattko
Jeden Monat präsentiert das Museum der Universität Tübingen MUT | Alte Kulturen einen „Schatz" aus der eigenen Sammlung. Die Daueraktion hat das Ziel, bedeutende und besonders interessante Objekte und Artefakte als solche kenntlich zu machen.