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Schatz des Monats Dezember 2025

aus der Dauerausstellung des Museums der Universität Tübingen MUT

Beim Schatz des Monats Dezember 2025 handelt es sich um Te Pou o Hinematioro – das geschnitzte Paneel der verehrten Ahnin Hinematioro der Māori-Community Te Aitanga-a-Hauiti aus Ūawa/Tolaga Bay in Aotearoa Neuseeland.

Im Jahr 2023 besuchte der Kustos der Ethnologischen Sammlung, Markus Schleiter, die Hauiti-Gemeinschaft in Ūawa. Dort entstand der Wunsch, eine kollaborative Ausstellung in Tübingen zu gestalten. Vor Kurzem wurde dieses Vorhaben nun Wirklichkeit: Mit einer feierlichen und bewegenden Zeremonie wurde am 23. Oktober 2025 die gemeinsam erarbeitete Ausstellung „Te Pou o Hinematioro“ eröffnet. Hochrangige Vertreter:innen aus Politik, Wissenschaft und Kultur aus beiden Ländern – darunter Direktorin der Universität Tübingen Karla Pollmann sowie der neuseeländische Botschafter in Deutschland Craig Hawke – würdigten dabei nicht nur das Pou selbst, sondern auch die fortdauernde Beziehung, die durch diesen Schatz über Kontinente hinweg entstanden und gewachsen ist. Besonders hervorzuheben sind dabei auch die Begegnungen zwischen jungen Menschen – Studierenden im Rahmen von Praxisseminaren rund um die Ausstellung und Schülerinnen und Schülern aus Tolaga Bay –, die als wertvolle Erfahrungen weitergetragen werden.

Der Ausstellungsraum greift in seiner Gestaltung frei das Konzept eines traditionellen wharenui, eines Versammlungshauses, auf. Dort werden Ahnenpaneele wie das von Hinematioro in Neuseeland angebracht – sie sind die symbolischen Säulen des Hauses, die Stabilität verleihen, indem sie das whakapapa (die Genealogie) der Gemeinschaft sichtbar und erfahrbar machen. Begleitet wird Hinematioro in der Ausstellung von weiteren taonga (Schätzen) aus Aotearoa, wie etwa einer Keule (mere pounamu) aus neuseeländischer Jade (Nephrit), geflochtenen Flachskörben (kete) oder kunstvoll geschnitzten Haarkämmen (heru). In der Ausstellung selbst erzählen zahlreiche Stimmen der Hauiti-Community Hinematioros und damit auch ihre eigene Geschichte: in den Ausstellungstexten, in der Raumgestaltung sowie in Videos und Interviews. So entsteht ein vielstimmiges, lebendiges Bild einer Beziehung, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpft. Die kollaborative Ausstellung ist ein Beispiel dafür, wie Dialog zwischen Kulturen und Institutionen respektvoll und auf Augenhöhe gestaltet werden kann.

Im 18. Jahrhundert war Hinematioro eine hochrangige Herrscherin. Ihr Stammbaum reicht zurück bis zu polynesischen Seefahrern des 13. Jahrhundert: Sie erreichten als erste Siedler das Land, welches sie Aotearoa – "Land der langen weißen Wolke" – nannten. Das Popupou von Hinematioro ist für Mitglieder der Te Aitanga-a-Hauiti eine lebendige Verbindung zu ihren Vorfahren und ihrer Geschichte und damit von großer spiritueller Bedeutung: Als Verkörperung von Hinematioro selbst sowie der gesamten Ahnenreihe wird das es wie eine Person behandelt und nicht als stummes Objekt – wir können also auch von ihr, von Hinematioro sprechen. Sie ist Trägerin von großem mana (spiritueller Autorität) und für ihre Nachfahren tatsächlich ein Schatz, ein taonga.

Aber wie kommt es, dass Hinematioro in Tübingen ist? Sie ist weit gereist: Mit James Cook kam sie auf der Endeavour nach Europa, in einer Zeit geprägt vom Kolonialismus und dessen Machtstrukturen. Wie Hinematioro an Bord der Endeavour kam, ist unklar. Möglich ist es, dass der Forscher Joseph Banks sie ohne Zustimmung der Māori-Community vor Ort mitgenommen hat. Eventuell wurde sie als Geschenk an Tupaia übergeben, einen unter Māori geschätzten Priester aus Tahiti, der James Cooks Crew als Navigator begleitete. In Europa angekommen, war sie lange Zeit in privaten Sammlungen undokumentiert untergetaucht. 1937 wurde das Pou der Universität Tübingen aus einer privaten Schenkung durch Emma von Luschan, der Witwe von Felix von Luschan (Direktor des Museums für Völkerkunde in Berlin), gegeben. In Tübingen verblieb Hinematioro lange Zeit ohne ihre weitreichende Provenienz und ohne große Beachtung in der ethnologischen Sammlung. Bis zu ihrer Wiederentdeckung in den 1990er Jahren durch den damaligen Kustos der ethnologischen Sammlung der Universität Tübingen, Volker Harms: Anhand von Skizzen und Aufzeichnungen von Crewmitgliedern der Endeavour sowie mit Unterstützung der renommierten Māori-Expertinnen Adrienne Kaeppler und Anne Salmond konnte das Ahnenpaneel tatsächlich als das Poupou von Hinematioro identifiziert werden.

Seit dieser Zeit besteht ein lebendiger Kontakt zwischen der Ostküste Neuseelands und Tübingen. Immer wieder besuchen Nachfahrinnen und Nachfahren Hinematioros ihre Ahnin hier. 2019 kehrte Hinematioro erstmals symbolisch in ihre Heimat zurück – ein bewegender Moment, der die Verbundenheit zwischen beiden Orten auf eindrucksvolle Weise spürbar machte.

Die Frage einer dauerhaften Rückgabe des Objekts wird derzeit intensiv diskutiert. Innerhalb der Ethnologie Tübingens wird die Rückgabe befürwortet, einerseits aufgrund der großen spirituellen Bedeutung des Poupous für die Nachfahr:innen Hinematioros, nicht zuletzt aber auch aufgrund des kolonialen und damit gewaltvollen Kontextes, in dem das Objekt einst in europäische Sammlungen gelangte.

Te-Aitanga-a-Hauiti wünscht sich, dass Hinematioro nach der Ausstellung in ihre Heimat zurückkehren wird. Dies ist noch offen – sicher aber ist, dass sie bereits heute Brücken schlägt und Gemeinschaft über weite Entfernungen hinweg neu erfahrbar macht.

Die Ausstellung „Te Pou o Hinematioro“ läuft bis zum 29. März 2025. Führungen finden immer sonntags um 14 Uhr und donnertags um 18 Uhr statt.

Carolin Saia

Medien
Kopfteil des geschnitzten, rotbraunen pou (Ahnenpaneel) der Hinematioro vor schwarzem Hintergrund
Weitere Informationen
Kategorie: News
Datum: 02.12.2025
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