In regelmäßigen Abständen stellt die Graphische Sammlung des Kunsthistorischen Instituts (KHI) Tübingen druckgraphische Schätze aus ihrer Sammlung vor. Im April berichtet Prof. Anna Pawlak über ein Werk von Cornelis Cort nach Maarten van Heemskerck.
Erst Frieden!
Erst der Frieden, der auf dem vorletzten Blatt von Maarten van Heemskercks neunteiliger Kupferstichserie Der Kreislauf des menschlichen Daseins von 1564 triumphiert, kann in der Welt die falschen Ambitionen, verhängnisvollen Handlungen und gefährlichen Schwächen des Menschen überwinden. Erst mit dem Frieden kann die in den Graphiken präsentierte, sich historisch beständig wiederholende Abfolge von Reichtum, Hochmut, Neid, Krieg, Armut und Demut ihren vorläufigen Endpunkt finden. Erst durch den Frieden kann die langersehnte Erlösung der Menschheit aus der, auf den vorausgegangenen Blättern eindringlich dargestellten, verheerenden Gewalt des aus Hybris und Missgunst resultierenden Krieges sowie dem auf ihn folgenden unvorstellbaren Elend der Armut noch vor dem Jüngsten Gericht erfolgen. Denn der verheißene Frieden, „der auf dem Wagen ‚EINTRACHT‘ fährt“, so formuliert das Epigramm des Stiches hoffnungsvoll in poetischer Form, ist zumindest im Bild „endlich da, herabgestiegen vom Himmel, die nährende Mutter des REICHTUMS. Der Wagenlenker ist die LIEBE, die Pferde [heißen] EINMÜTIGKEIT und NUTZEN. Die Begleiter sind die GERECHTIGKEIT, die einem jeden das Seine zuteilt, sowie WAHRHEIT und die eifrige SORGFALT, und die Mutter aller Künste, der FLEISS.“
Maarten van Heemskercks mahnendes Friedensbild und die acht weiteren Blätter seines berühmten Kupferstichzyklus sind vom 20. Mai bis 29. Juli 2022 in der Ausstellung Maarten van Heemskerck & Co. Welt/Bewegend in der Graphischen Sammlung am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen zu sehen.
Text: Anna Pawlak
Bild: Cornelis Cort nach Maarten van Heemskerck, „Der Triumph des Friedens“, Blatt 8 von 9 aus der Graphikfolge „Der Kreislauf des menschlichen Daseins“, Antwerpen 1564, Kupferstich, 220 x 294 mm, Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut, Inv. Nr. 2898.
Zum Projekt #offeneSchublade:
Mit über 12 000 Drucken und Zeichnungen aus sechs Jahrhunderten gehört die 1897 gegründete Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen zu den umfangreichsten und ältesten Universitätssammlungen dieser Art in Deutschland. Neben Highlights wie Graphiken von Dürer, Rembrandt und Picasso warten in den Schränken zahlreiche weitere Kunstwerke auf Papier darauf, (neu-)entdeckt zu werden. Die Graphische Sammlung öffnet deshalb ab September 2021 jeden Monat einmal ihre Schubladen und lädt MitarbeiterInnen, StudentInnen und FreundInnen des KHI und des MUT herzlich ein, unter #offeneschublade ein ausgewähltes Blatt aus den Beständen zu präsentieren.