Referent: Michael von Cranach (München)
Zwischen 1939 und 1945 wurden im Reichsgebiet 230 000 Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen von Ärzten und Pflegepersonen ermordet. Trotz ausführlicher Dokumentation für die Nürnberger Ärzteprozesse verliert sich danach das Interesse an einer weiteren Auseinandersetzung. Es beginnt eine jahrzehntelange Periode des Leugnen und Vergessen.
An Beispielen soll das mangelnde Unrechtsbewusstsein der Täter und Mittäter beleuchtet werden sowie die Dreistigkeit, mit der zaghafte Versuche der Dokumentation und Auseinandersetzung behindert wurden. Persönliche Kontinuitäten in den psychiatrischen Einrichtungen, Universitäten wie Kliniken, verhinderten einen Neuanfang. Dadurch verpasste die deutsche Psychiatrie die in den 50er Jahren an vielen Orten der Welt stattgefundenen Bemühungen um eine neue humane, menschenrechtsorientierte Psychiatrie. Erst in den 80er Jahren nahm eine neue Generation diese Ansätze in der Bundesrepublik auf. Es zeigte sich, dass das Gelingen der Reform mit der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit eng verbunden ist. Diese Auseinandersetzung ist bis heute nicht abgeschlossen.
Weitere Informationen
Studierende der Geschichtswissenschaft und der Medizin haben sie in drei Lehrforschungsprojekten unter der Leitung von PD Dr. Henning Tümmers und Leonie Braam, M.A. (Institut zur Ethik und Geschichte der Medizin) sowie Prof. Dr. Benigna Schönhagen und Stefan Wannenwetsch, M.A. (Gräberfeld X-Projekt am Institut für Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften) erarbeitet. Das interdisziplinäre Ausstellungsprojekt entsteht in Kooperation mit Prof. Dr. Bernhard Hirt (Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik) und Prof. Dr. Ernst Seidl (Museum der Universität Tübingen MUT).
Ein Katalog und ein Veranstaltungsprogramm mit renommierten Experten der Medizingeschichte und studentischen Beiträgen begleiten das Projekt vom Februar bis Oktober 2023.
Online Zoom-Zugangsdaten:
Meeting-ID: 975 3069 2580
Kenncode: 320392
Verpasster Neuanfang 1945. Die vergessenen Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde
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