Junges Forum für Sammlungs- und Objektforschung

Die Workshopreihe „Junges Forum für Sammlungs- und Objektforschung“ ist ein Kooperationsprojekt der Gesellschaft für Universitätssammlungen e.V. mit den Universitäten oder Museen der HU Berlin, Göttingen, Tübingen, Dresden, Halle-Wittenberg, Erlangen-Nürnberg, Gießen und Bremerhaven. Die jährlich stattfindende Workshopreihe und die daraus erwachsenen Publikationen (hg. von Ernst Seidl, Frank Steinheimer und Cornelia Weber) werden dankenswerterweise finanziert von der VolkswagenStiftung.
Den aktuellen (2023) Beitragsband „Ein kritischer Blick zurück: Provenienzforschung in Sammlungen und Museen“, herausgegeben von Ernst Seidl, Frank Steinheimer und Cornelia Weber, finden Sie hier als pdf-Download.

 

Der Tübinger Workshop 2018 stand unter dem Motto „Zur Sache! Objektwissenschaftliche Ansätze der Sammlungsforschung“:


Tübingen, 6. bis 8. September 2018,
Ernst-von-Sieglin-Hörsaal, Schloss Hohentübingen
 

Vom 6. bis 8. September 2018 veranstaltet das Museum der Universität Tübingen MUT gemeinsam mit der Gesellschaft für Universitätssammlungen e.V. einen Workshop in der Reihe „Junges Forum für Sammlungs- und Objektforschung“. Eingeladen dazu sind jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Graduierte (Master/Magister) sowie Doktorandinnen und Doktoranden aller Disziplinen, die an materiellen Objekten und Sammlungen forschen. Im Rahmen des geplanten Workshops am MUT sollen wissenschaftliche Fragen, Methoden und Ergebnisse vorgestellt und mit anderen Nachwuchswissenschaftler*innen sowie Experten diskutiert werden. Darüber hinaus erwarten wir von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass sie bereit sind, ihre Arbeit mit Vertretern anderer Disziplinen zu erörtern und sich an der anschließenden Publikation zu beteiligen.

Die Initiative „Junges Forum für Sammlungs- und Objektforschung“ ist ein Kooperationsprojekt der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen, Berlin, mit vier Universitäten; es wird von der VolkswagenStiftung finanziert. Die Workshopreihe bietet eine besondere Plattform für jüngere Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, um sich fächerübergreifend miteinander zu vernetzen und Fragen der objektbasierten Forschung insbesondere in wissenschaftlichen Sammlungen an Hochschulen zu reflektieren. Zentrales Anliegen ist es, den wissenschaftlichen Nachwuchs dazu anzuregen, mit wissenschaftlichen Sammlungen und Objektbeständen an Hochschulen zu arbeiten, Objektkompetenz zu erwerben und interdisziplinäre Projekte entwickeln zu lernen.


Thema

Die in den vergangenen Jahren stark gestiegene Beachtung und Neubewertung wissenschaftlicher Sammlungen an Universitäten, Hochschulen und Akademien hat auch die Relevanz des materiellen Objektes als wissenschaftlichem Zeugnis – insbesondere im Verhältnis zum Schriftdokument und zum Bild – beträchtlich erhöht. Ganz im Gegensatz zu dieser erfreulichen Diagnose mangelt es jedoch bei der wissenschaftlichen Bearbeitung von Sammlungs- und Objektlagen noch immer an theoretischen Grundlagen zur Herangehensweise oder gar über einzelne Fachkulturen hinausgehenden gemeinsamen methodischen Vorstellungen, die dem spezifischen Charakter des Objekts entsprächen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem materiellen Objekt nur Bildcharakter eingeräumt wird und damit ein gewichtiger Teil seines Erkenntnispotentials ungenutzt bleibt. Daran konnten auch die seit Jahrzehnten existierenden analytischen Schwerpunktsetzungen, wie etwa die material studies, nichts ändern. Hier sollen nun Konkretionen des Objekts befragt werden. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Objekt nicht Substitut, sondern immer auch entscheidender Teil der Realität ist. Mehr noch: Es stellt sogar eine ganz eigene Form und Qualität der Realität dar. Das Objekt birgt Eigenschaften, ihm werden Funktionen und Bedeutungen zugewiesen. Es hat als Medium, Mittel, Werkzeug oder Kunstwerk selbstredend eine völlig eigenständige Forschungs- und Erkenntnisberechtigung. Viele Objekte materialisieren ein immaterielles Gedankenkonstrukt, das sich schwer anders fixieren lässt. Und selbst Bilder oder unsere Sprache, die gewöhnlich am besten in der Lage ist, die komplexesten theoretischen Zusammenhänge zu formulieren, vermögen das Potential der materialisierten Objekte nicht zu erreichen oder gar zu ersetzen.

Denn oft erlaubt erst das Objekt, eine Vielzahl von Theorien, Fakten, Zusammenhängen und Überlegungen, von Nutzungen und Zeitspannen überhaupt sichtbar werden zu lassen, sie materiell „fassbar“, buchstäblich „begreifbar“ zu machen und Erkenntnisprozesse anzustoßen. Kurz: Nicht nur die Bibliotheken, Archive und Bildersammlungen gelten als erhaltens- und förderungswürdige Lehr- und Forschungsinfrastrukturen, sondern auch die zahlreichen Sammlungen von Objekten.

Denn wissenschaftliche Sammlungen an Universitäten bieten breite Möglichkeiten: als materieller Wert an sich, als kulturelles Erbe der Universität, als direkte Quellen oder als Infrastruktur von Forschung, als Lehrmittel und Lehrinfrastruktur, zur Konkretion von fachlichen Inhalten, für überfachliche und praxisnahe Qualifizierungsmöglichkeiten, zur Profil- und Imagebildung der Universität, für eine optimierte bildungspolitische Wahrnehmung auf der Ebene des Trägers, also meist des Landes, zur verbesserten öffentlichen Sichtbarkeit und damit zur Öffnung und positiv veränderten Wahrnehmung einer von außen nicht selten als hermetisch betrachteten Institution Universität – um nur die wichtigsten Potentiale anzuführen. Die Frage stellt sich zunächst, ob es denn überhaupt über die einzelnen fach- und wissenschaftsgeschichtlichen Perspektiven hinaus überdisziplinäre methodische Fokussierungen geben könnte, um sammlungsspezifische, mithin „objektwissenschaftliche“ Wege zu weisen? So soll in diesem Workshop die Relevanz von Objekten beleuchtet sein: Form, Materialität, Dimension, Entstehungskontext, konkrete Nutzung, räumliches Vermögen, Zeitzeugenschaft, Repräsentationsfunktion, ästhetisches Affizierungspotential und viele andere objektspezifische Qualitäten können aus unterschiedlichsten fachlichen Perspektiven dadurch nochmals klarer vor Augen treten. Für die Diskussion erbeten sind Abstracts aus allen Disziplinen – ausdrücklich auch aus den naturwissenschaftlichen Fächern – um zunächst die Grundlagen objektwissenschaftlicher Tendenzen abstecken zu können.


Eindrücke vom Workshop



Donnerstag, 6. September 2018

Objektwissenschaft – Grundlegendes

13:00 UhrBegrüßung, Einführung, Vorstellung
Prof. Dr. Ernst Seidl, Tübingen
Dr. Cornelia Weber, Berlin
13:30 Uhr

Sonderfall Universalsammlungen
Marcel Kellner, Berlin
Dokumentenkabinett europäischer Geschichte, Gegenwart und Zukunftsplanung

14:15 Uhr
Funktionsgeschichte und -wandel
Felix Schmieder, Erlangen
Objekt vs. Erzählung
15:00 UhrPause
15:30 Uhr

Form des Instruments
Susanne Thürigen, Dresden
„Ideas made of brass“ – Wissenschaftliche Instrumente in Buchform

16:15 Uhr Objekt-Provenienz und -Ideologie
Janina Piech, Wien
Sammlungsideologie und Geschichtsschreibung – Digitalisierung historischer Materialien des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft 1943–1945
17:00 UhrPause
17:30 Uhr
Führung (fakultativ)
Prof. Dr. Ernst Seidl, Tübingen
Die Stadt, die Universität, das Schloss und das Museum
19:30 Uhr
Öffentlicher Abendvortrag
Dr. Philippe Cordez, stellv. Direktor Deutsches Forum für Kunstgeschichte, Paris
Objektfantasien. Erfahrung und Gestaltung, Eigenschaften und Situationen
Ort: Rittersaal/Schloss – Anschließend: Umtrunk

Freitag, 7. September 2018

Fachperspektiven der Objektwissenschaft

09:00 Uhr
Materialikonographie
Johanna Lessing, Berlin
Auf der Suche nach „Erde“. Eine Wissensgeschichte von Material und
Materiallosigkeit in den Sammlungen des Naturkundemuseums und der Humboldt-Universität zu Berlin
09:45 Uhr

Materialgeschichten
Anne Biber, Wie  

Black Box Kunststoff? Identifikation und Kontextualisierung
historischer Kunststoffe anhand ihrer Farbgestaltung am Beispiel einer Gründungssammlung des Technischen Museums Wien (TMW)

10:30 Uhr

Farbe als Stoff und Objekt
Marc Holly, Köln
Die Welt wird bunt – Erforschung der Farbstoffsammlung an der Hochschule Niederrhein
11:15 UhrPause
11:45 Uhr

Objekttransformation
Anna Behrend, Dortmund
Transformation als Konsummuster. Umgeänderte Kleidung als Quelle objektbasierter Kleidungsforschung.

12:30 Uhr
Das historisch-didaktische Objekt
Julia Schuppe, Bonn
Objektsammlung als Sammlung von Erinnerung und Bedeutung
13:15 UhrMittagspause
14:15 Uhr
Werkstattbesuch
Jürgen Rösinger, Präparator,
Institut für Evolution und Ökologie/Zoologische Sammlung
Tierobjekte in Arbeit – Blick in die Präparatorenwerkstatt
14:45 Uhr
Führung
Dr. Frank Dürr, Tübingen
Ausstellung „Mind|Things“ – Objekte der Psychologie
15:30 Uhr
Objekt- und Sammlungsgeschichte
Lena Hoppe, Göttingen
Vorstellung des Dissertationsprojektes „Zunftpokale“
16:15 Uhr
Objektkategorie und Objektoberfläche
Sophia Ludolph, Leipzig
Ideologien und Kännchen

17:00 Uhr

Pause
17:30 Uhr
Moulagen als Abgussformen
Christian Dahlke, Rostock
Materiale Medizingeschichte – Objektinformationsanalyse am Beispiel der Rostocker Moulagensammlung
18:15 Uhr

Kopie als Objekt
Daniela Maier, Bern
Objektpluralität als Herausforderung für Sammlungs- und Objektforschung am Beispiel galvanoplastischer Nachbildungen in Kunstgewerbemuseen des 19. Jahrhunderts

19:00 Uhr
Objektbiographie
Almut Uhl, Gießen
Das Herbar: Objekt und Zeugnis der Forschung. Untersuchungen zum Herbarium Erlangense und seinem Begründer Wilhelm Daniel Joseph Koch
20:00 Uhr
Gemeinsames Abendessen

Samstag, 8. September 2018

Bilder als Objekte – 2D als Ding

09:00 Uhr
Key Note
Dr. Stefanie Klamm, Berlin
3D statt „Flachware“. Foto-Objekte – Fotografien als materielle Objekte
09:45 Uhr
Der Objektstatus der Fotografie
Marina-Elena Heyink, Berlin
Die Fotografischen Objekte der Stuttgart Badakhshan Expedition1962–1963: Ein Reisebericht

10:30 Uhr

Die Oberfläche der Fotografie
Kristin Funcke, Tübingen
Der Objektcharakter der Fotografie – Praktiken zur Autonomie des fotografischen Bildes am Beispiel des Schweizer Fotografen Balthasar Burkhard
11:15 UhrMittagspause
12:15 Uhr
Das Material des Papiers
Dr. Regina Jucknies, Reykjavík/Köln
Papierpfade – Eine Material- und Objektgeschichte isländischen Papiers
13:00 Uhr
Das Material des Bildes
Karina Dipold, Tübingen
Vermessene Hände – Die Handabdrücke der „Litzmannstädter Juden“ als Teil der materiellen Kultur der Rassenanthropologie

13:45 Uhr

Zusammenfassung/Abschluss

Prof. Dr. Ernst Seidl, Tübingen
Dr. Cornelia Weber, Berlin


Teilnehmende Expert*innen

Dr. Philippe Cordez, Paris
Dr. Stefanie Klamm, Berlin
Dr. Renate Schafberg, Halle (Saale)
Kirsten Vincenz, Dresden
Dr. Cornelia Weber, Berlin

Veranstalter
Prof. Dr. Ernst Seidl
Museum der Universität Tübingen MUT
Schulberg 2, 72074 Tübingen


Kooperationspartner und Förderer